Warum die Verkehrswende unrealistisch ist

Verkehrswende

Alle reden von der Verkehrswende. Das große Ziel: Immer mehr Menschen sollen vom Auto auf umweltfreundliche Alternativen umsteigen. Doch wie soll das mit der aktuellen Infrastruktur funktionieren? Heute saß ich wieder einmal in der S-Bahn von Germering nach München. Eigentlich eine schnelle Verbindung in nur 20 Minuten in die Innenstadt. Aber ich musste froh sein, dass ich pünktlich zur Arbeit kam – und das mit zwei S-Bahnen Puffer inklusive.

Verkehrswende in der Praxis: Pendeln wird zur Geduldsprobe

Das ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Inzwischen kenne ich viele Meldungen, die in der DB-Navigator App aufploppen können: Defektes Stellwerk, witterungsbedingte Verspätung, verspätetes Personal aus vorheriger Fahrt, Reparatur an einer Weiche, Polizeieinsatz, Personen oder Tiere auf der Strecke und so on. Die Fahrt ins Büro wird zur Geduldsprobe. 

Kann man Pünktlichkeit nicht voraussetzen?

Ich habe Glück, dass ich nicht jeden Tag nach München pendeln muss. Home-Office sei Dank. Ich habe mich schon oft gefragt, wie es wohl Menschen geht, die in Jobs arbeiten, die tägliche Anwesenheit erfordern. Und Jobs haben, bei denen man auf die Minute pünktlich sein muss. Oder wie rechtfertigt ein Chirurg, dass er zu spät zur Operation kommt?

Verkehrswende scheitert: Auf die Deutsche Bahn ist kein Verlass

Dass die Bahn regelmäßig mit Verspätungen zu kämpfen hat, zeigt auch die Statistik. Bei der S-Bahn in München lag die Pünktlichkeitsquote in 2023 bei 90 Prozent – der schlechteste Wert seit zwanzig Jahren. Der Fernverkehr meldet noch schlechtere Werte: Die Pünktlichkeitsquote im ersten Halbjahr dieses Jahres lag bei 62,7 Prozent. Kein Wunder, dass die Deutsche Bahn im Ausland belächelt wird. Als ich mit einem französischen TGV nach Karlsruhe fuhr, sagte der Zugführer: „Ich weiß, dass sie als deutscher Bahn-Kunde das nicht gewohnt sind. Deshalb hoffe ich, dass sie es „ertragen”, zehn Minuten vor der geplanten Ankunftszeit anzukommen.” Das Gelächter nach der Durchsage im Zug war groß.

Im Smalltalk-Repertoire sind die kuriosen Bahnstories bereits etabliert. Jeder, der regelmäßig mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, schreibt am ungeschriebenen Roman der Bahnstories mit.

Die Unpünktlichkeit ist nicht das einzige Problem

Um die Verkehrswende voranzutreiben, braucht es aber nicht nur pünktliche Züge, sondern auch genügend Kapazitäten für die neuen Fahrgäste. Die meisten S-Bahnen und Züge sind bereits heute voll und hoch ausgelastet. Sobald auf einer Strecke ein Zug ausfällt, bricht das System zusammen. Die Folge sind überfüllte Gleise und Züge, die aus Sicherheitsgründen von der Bundespolizei geräumt werden müssen. Bevor es dazu kommt, werden die stehenden Fahrgäste aufgefordert den Zug zu verlassen. So habe ich es zumindest auf der Strecke von Essen nach München erlebt und auf Video festgehalten.

Mit zwei Millionen Views und fast 30.0000 Kommentaren ging das Video auf meinem Instagram-Account viral. Offenbar gab es genügend Menschen, die sich mit dieser Situation identifizieren konnten.

Verkehrswende und Sparmaßnahmen: Die Folgen der letzten Jahrzehnte

Das liegt vor allem daran, dass die Deutsche Bahn in den letzten Jahrzehnten kaputt gespart wurde. Die Medien berichten seit einer gefühlten Ewigkeit darüber. Artikel aus dem Jahr 2018 lesen sich wie aktuell. So schreibt die Süddeutsche Zeitung am 10. September 2018: „Die Lage bei der Deutschen Bahn ist besorgniserregend. Die Verspätungen nehmen zu, der Service ab, die Wagons sind sehr voll – und es gibt jede Menge Baustellen.” Zumindest kurzfristig ist keine Besserung in Sicht.

Verkehrswende durch höhere Taktung: Die Lösung aller Probleme?

Ich bin mir nicht einmal sicher, ob eine höhere Taktung der Züge das Problem lösen würde. In der Rush-Hour der S-Bahn ist das zwar schon der Fall, aber oft fallen die Züge kurzfristig aus, weil Personal fehlt. Oder sie verspäten sich, weil die Gleise durch den vorherigen Zug noch besetzt sind. 

Kann die Verkehrswende gelingen?

Ich bin an sich keine Pessimistin, aber die Vorstellung, dass noch mehr Menschen vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen, bereitet mir großes Unbehagen. Selbst die Grünen scheinen diese Illusion nicht zu teilen. Bei einem Stammtisch mit der bayerischen Politikerin Katharina Schulze sagte sie zu dem Thema, das sie „Mobilitätswende” nennt – dass sie sich wünschen, dass immer weniger Paare einen Zweitwagen brauchen. Ich für meinen Teil hoffe jedenfalls, dass der öffentliche Nah- und Fernverkehr nicht noch schlechter wird. Die Hoffnung, dass er besser wird, habe ich bereits aufgegeben.

Quellen

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