Während andere Länder längst digitale Behördengänge und vernetzte Systeme nutzen, kämpft Deutschland noch immer mit Papierformularen, inkompatibler Software und bürokratischen Hürden. Die Digitalisierung in Deutschland kommt – ähnlich wie die Verkehrswende – nur langsam voran. Doch woran liegt das?
Wie digital ist Deutschland?
Trotz des Digitalisierungsschubs während der Corona-Pandemie liegt Deutschland bei der Digitalisierung im europäischen Vergleich auf Platz 13. Zwar wurden in den letzten Jahren digitale Services wie das Deutschlandticket, das E-Rezept oder die elektronische Patientenakte eingeführt, die größten Probleme liegen aber nach wie vor in der Verwaltung:
- Das Onlinezugangsgesetz (OZG) soll 575 Verwaltungsdienstleistungen digitalisieren. Doch viele dieser Prozesse existieren bisher nur auf dem Papier.
- In den Finanzämtern nutzen die Bundesländer unterschiedliche Softwarelösungen, die untereinander nicht kompatibel sind. Ein bundesweiter digitaler Steuerakten-Transfer soll frühestens 2029 möglich sein.
- Die Kfz-Zulassung sollte längst online funktionieren. Doch in 50 Landkreisen und Städten scheitert es daran, dass jede Zulassungsstelle eine eigene Softwarelösung benötigt – eine zentrale Plattform wurde bislang nicht geplant.
Auch auf kommunaler Ebene herrscht Chaos: 11.000 Gemeinden und 300 Landkreise versuchen, ihre Digitalisierung eigenständig voranzutreiben. Statt einer einheitlichen Lösung nutzen sie insgesamt 30.000 verschiedene Verfahren.
Was machen andere Länder bei der Digitalisierung besser?
Man muss gar nicht weit reisen, um zu erleben, wie echte Digitalisierung funktioniert. Andere Länder sind uns längst voraus.
- Estland gilt als digitales Vorzeigeland. Analoge Behördengänge gibt es dort nicht mehr – von der Steuererklärung bis zum Hauskauf wird alles online erledigt. Selbst das Heiraten geht per Mausklick, nur für die Unterschrift ist noch ein Behördentermin nötig.
- Indien verfügt über die sogenannte „Aadhaar-App”, die von 99 Prozent der Erwachsenen genutzt wird. Mit dieser App werden sämtliche Verwaltungsprozesse auf einer einzigen Plattform gebündelt.
Warum bleibt Deutschland bei der Digitalisierung zurück?
Die Gründe dafür sind vielfältig. Drei zentrale Faktoren bremsen die Digitalisierung in Deutschland:
1. Altersstruktur
Mit rund 18,9 Millionen Menschen über 65 Jahren (22 Prozent der Gesamtbevölkerung) ist Deutschland eine alternde Gesellschaft. Viele ältere Menschen fühlen sich unsicher im Umgang mit digitalen Technologien.
- Nur 41 Prozent der 60- bis 69-Jährigen geben an, sich im Internet sicher zu fühlen.
- Bei den über 70-Jährigen sind es sogar nur 36 Prozent.
Ohne gezielte Schulungen bleiben viele ältere Menschen außen vor, was die Akzeptanz und Nutzung digitaler Angebote bremst.
2. Ist die Digitalisierung überhaupt gewollt?
Viele digitale Möglichkeiten sind bereits vorhanden, werden aber nicht genutzt:
- Gigabit-Internet ist für 75 Prozent der Haushalte verfügbar, doch nur jeder neunte nutzt es tatsächlich.
- Zwei Drittel der Deutschen haben noch nie eine Videosprechstunde beim Arzt genutzt.
Der Zahlungsverkehr hat sich jedoch rasant verändert. 41 Prozent zahlen heute häufiger kontaktlos und Online-Banking ist von 52 Prozent (2019) auf 84 Prozent gestiegen. Meine Vermutung: Wenn die Digitalisierung echte Vorteile bietet, sind die Deutschen dabei.
3. Datenschutz als Innovationsbremse?
Deutschland ist bekannt für seinen strengen Datenschutz. Einerseits schützt das die Bürger, andererseits blockiert es Innovationen.
Ein Beispiel: Die elektronische Patientenakte (ePA) wird seit über 20 Jahren diskutiert, doch erst 2025 wurde sie flächendeckend eingeführt. Immer wieder verzögerten Datenschutzbedenken, Kostenfragen und Streitigkeiten zwischen Verbänden das Projekt – während andere Länder längst digitale Gesundheitsakten nutzen.
Fehlende Investitionen sind ein weiteres Problem. Deutschland investiert jährlich rund 200 Milliarden Euro in die digitale Infrastruktur – doch das ist im internationalen Vergleich nur ein Bruchteil dessen, was beispielsweise die USA aufwendet.
Was muss sich ändern, damit Deutschland digitaler wird?
Drei Maßnahmen könnten die Digitalisierung in Deutschland deutlich vorantreiben:
Ein eigenes Digitalministerium
Die Zuständigkeiten für die Digitalisierung sind in Deutschland auf verschiedene Ministerien verteilt. Experten fordern daher ein Digitalministerium, das alle digitalen Projekte zentral steuert.
Das Onlinezugangsgesetz (OZG) sollte 575 Verwaltungsleistungen digitalisieren – doch weil die Umsetzung an den föderalen Strukturen scheitert, sind viele Prozesse noch analog. Ein eigenes Ministerium mit einem eigenen Digitalbudget und einer klaren Strategie könnte diesen Prozess beschleunigen.
Digitale Schulungen für ältere Menschen
Brigitte Mohn von der Bertelsmann-Stiftung betont:
„Auch die ältere Generation benötigt digitale Kompetenzen, um sich im Alltag selbstständig zurecht zu finden und möglichst lange autonom in der vertrauten Umgebung zu bleiben.“
Digitale Technologien bieten gerade für ältere Menschen große Chancen – von Smart-Home-Anwendungen bis hin zu digitalen Gesundheitsdiensten. Doch ohne gezielte Schulungen bleiben viele außen vor. Deshalb braucht es flächendeckende Angebote, die älteren Menschen den Zugang zur digitalen Welt erleichtern.
Investitionen in die digitale Wirtschaft
Deutschland muss mehr in digitale Infrastruktur und Technologien investieren. Wie wichtig solche Investitionen sind, zeigt die Ansiedlung von Intel in Magdeburg. Der US-Konzern plant den Bau einer großen Chipfabrik, die Deutschland unabhängiger von Asien und den USA machen könnte. Auch für Ostdeutschland wäre dies ein enormer Wirtschaftsimpuls. Doch der Bau verzögert sich nun um zwei Jahre – aus Spargründen. Trotz der Verzögerung geht die Magdeburger Oberbürgermeisterin weiter davon aus, dass das Projekt realisiert wird und arbeitet weiter an den Plänen.
Fazit: Die Digitalisierung in Deutschland hat Potenzial
Ich finde: Deutschland hat das Potenzial, digitaler zu werden. Es braucht jedoch Investitionen und vor allem eine konsequente Umsetzung.
Quellen
- web.de: Das muss die nächste Regierung schnell angehen
- heise.de: Nach Corona-Schub: Digitalisierung kommt wieder nur noch langsam voran
- tagesschau.de: Deutsche Behörden verzetteln sich bei Digitalisierung
- tagesschau.de: Wie digital ist Deutschland?
- web.de: Estland zeigt, wie es geht: Warum läuft es bei uns nicht?
- provita-deutschland.de: Digitalisierung überfordert sehr viele Senioren
- statista.com: Senioren in Deutschland – Statistiken und Daten
- aerzteblatt.de: Ärzte sorgen sich um Datenschutz bei elektronischer Patientenakte
- web.de: Elektronische Patientenakte: Aufregung vor dem Start
- mdr.de: Chronologie der Intel-Ansiedlung in Magdeburg
- digital-decade-desi.digital-strategy.ec.europa.eu: Shaping Europe’s digital future
Deine Meinung zählt!
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