Nach meinem Kommentar zum Genderverbot habe ich verschiedene Rückmeldungen bekommen, unter anderem, dass ich mich von Söder hätte distanzieren sollen. Ich halte das aber nicht für notwendig. Wenn jemand in meinen Augen etwas Gutes oder Logisches durchsetzt, ist es mir egal, welcher Partei er oder sie angehört. Es geht um die Sache, nicht um die Person. Es stellt sich also die Frage: Ist der Wunsch nach Distanzierung ein verlängerter Arm des ad hominem-Arguments oder auch des personenbezogenen Arguments?
Was ist das ad hominem-Argument?
Die Universität Leipzig definiert das ad hominem-Argument wie folgt:
„Personenbezogene Argumente oder Ad-hominem-Argumente nennt man Fehlschlüsse, die auf die Position des Sprechers oder der Sprecherin oder auf eine konkrete Person zielen, statt das Argument selbst zu beachten oder zu entkräften. […]”
Beispiele für das ad hominem-Argument
Das ad hominem-Argument funktioniert so: Person A behauptet etwas. Person B entgegnet, Person A sei z. B. rechts, linksgrünversifft, sozialistisch oder ein Nazi. Oft werden auch der Charakter, die Vergangenheit, das Aussehen oder andere Eigenschaften kritisiert und als Grund für die Ablehnung der gegnerischen Position angeführt. Der Leser oder Zuschauer soll daraus schließen, dass aufgrund dieser Merkmale die These von Person A nicht stimmen kann.
Anstatt sich mit sachlichen Argumenten an einer Diskussion zu beteiligen, werden persönliche Angriffe gewählt. Dies geschieht meist dann, wenn die sachliche Argumentationsbasis schwach ist. Damit wird von der eigentlichen Diskussion abgelenkt. Das ad hominem-Argument ist ein Scheinargument.
Es gibt aber auch subtilere Methoden, zum Beispiel: „Es ist offensichtlich, dass Person B diese These vertritt, weil diese Person ein Mann ist”. Oder umgekehrt: „Typisch Frau”. Das ist reine Etikettierung, um die Argumente des Gegners zu entkräften. Damit verhindert man die Debatte und den Austausch von Argumenten.
Im aktuellen Diskurs wird auch ad hominem argumentiert
Im Fall des Genderverbots bekam ich das persönliche Feedback, dass ich mich von Söder distanzieren solle, weil das die Akzeptanz meiner Argumentation erhöhen würde. Es führt zu einem Schwarz-Weiß-Denken, wenn man je nachdem, wie man zu Markus Söder steht, die Regelung bedingungslos unterstützt oder ablehnt.
Wir sollten in der Lage sein, politische Entscheidungen personenunabhängig zu bewerten und zu diskutieren. Das heißt nicht, dass wir nicht kritisch sein sollten, aber unsere Kritik sollte sich auf die Argumente und Ideen konzentrieren, nicht auf die Personen, die dahinter stehen.
Wie gehen wir mit Scheinargumenten um?
Um der Scheinargumentation entgegenzuwirken, sollte man es vermeiden, selbst ad hominem zu argumentieren oder auf persönliche Angriffe des Diskussionspartners einzugehen. Stattdessen ist es wichtig, diese Angriffe als das zu benennen, was sie sind, und zur Sachlichkeit aufzurufen.
- „Du regst dich über eine Person auf, aber eigentlich sollten wir über die Sache sprechen”.
- „Schönes ad hominem, aber mir wäre es lieber, wenn du etwas zur Sache beitragen würdest”.
- „Um beim Thema zu bleiben … ”
Es ist wichtig, einen möglichst neutralen Ton zu wählen und nicht mit einem persönlichen Gegenangriff zu kontern, um die Diskussion auf einer sachlichen Ebene zu halten.
Fazit zur Diskussionskultur
In der aktuellen Zeit scheinen uns echte Argumente und konstruktive Diskussionen verloren gegangen zu sein. Dafür gibt es viele Gründe – unter anderem die sozialen Medien, die uns in Filterblasen gefangen halten. Dort hören wir nur noch das Echo unserer eigenen Meinungen und es fällt schwer, andere Perspektiven zu sehen.
Die Empörungskultur und die Flut persönlicher Angriffe in der öffentlichen Debatte machen mir Sorgen. Statt sich auf die Sachargumente zu konzentrieren, werden allzu oft die Personen hinter den Aussagen ins Visier genommen oder gar diskreditiert. Das erschwert eine vernünftige Diskussion und verschärft die ohnehin gespaltene Gesellschaft. Es ist an der Zeit, echte Argumente vorzubringen, andere Meinungen zuzulassen und Kritik konstruktiv zu äußern. Nur so kann der öffentliche Diskurs wieder belebt werden.
Quellen
- uni-leipzig.de: Personenbezogenes Argument
- youtube.com: Top 5 Scheinargumente und ihre Abwehr
- youtube.com: Dein „ad hominem“ zeigt, dass dir die sachlichen Argumente ausgingen